testAMENt

Nicht umsonst enthält dieses Wort den Begriff Amen. «So sei es», lautet eine der verschiedenen Übersetzungen aus dem Hebräischen. Amen. Fertig. Schluss.

Ach warte, du bist ja gar nicht gläubig und hast dieses Wort noch nie in einem ernsthaften Kontext verwendet. Dir scheint ein Dokument, das über das Geschehen nach deinem Lebensende entscheidet, nicht der richtige Rahmen, um mit solchen, dir suspekten, Begrifflichkeiten zu beginnen.

Testament. Testamend. Testamende. Test am Ende.

Warum um alles auf der Welt bist du so sehr auf Wortspiele fixiert? Warum kannst du Wörter nicht einfach Wörter sein lassen, ohne immer noch etwas anderes darin zu sehen? Vielleicht ist das ganz ähnlich wie mit deinem Leben, das du auch nicht einfach dein Leben sein lassen kannst oder konntest. Dein Leben, das deiner Ansicht nach nie genug Bedeutung hatte, das die Hülle war, welche eine Suche nach Sinn umgab, das einfach so, ohne deine Mitsprache begonnen hatte.

Test am Ende. Du fürchtest dich vor keinem Test mehr, alle die vergangenen Jahre fühlten sich bereits nach einer Prüfung an. Multiple-Choice-Aufgaben, die keine korrekte Antwort anboten, Mündlichproben in einer Sprache, die du nie gelernt hast, handschriftliche Aufsätze mit gebrochenen Fingern und verbogenem Füller.

Der Test am Ende, bei dem du geprüft wirst, wie du deine Mitwelt siehst und sahst, wen du wie einschätzt, wem du was zukommen lässt, welche Wünsche du nach deinem Tod zu äussern wagst. Beginnen wir mit letzterem. Du willst – beinahe egal in welchem physischen Zustand, bevorzugt aber kompostiert – irgendwo vergraben werden. Auf dir soll eine Birke gepflanzt werden. Du wünschst dir, dass die Birke von Krähen bewohnt wird, aber diesen Wunsch kann dir nur der Zufall erfüllen.

Wem lässt du was zukommen? Du bist neunzehn Jahre alt und besitzt nicht viele Dinge, denen ein finanzieller Wert zugeschrieben werden kann. Du vertraust darauf, dass deine Hinterbliebenen friedlich unter sich ausmachen können, wer was zu sich nimmt. Du bist neunzehn Jahre alt und überfordert damit, dein sämtliches Hab und Gut irgendwelchen Namen zuzuordnen, aber gleichzeitig hat es eine beruhigende Wirkung auf dich, wenn du dich mit deinem Tod auseinandersetzt.

Du weigerst dich, dich dem Test zu stellen. Wie damals, am Gymnasium, als du den Physiktest entgegennahmst, deinen Namen auf das Blatt schriebst und ihn dem Lehrer zurück in die Hand drücktest, ehe er sämtliche Bögen ausgeteilt hatte.

Vielleicht ist es dir doch lieber, dich auf diesen nichts- und allessagenden religiösen Ausdruck zu beschränken, um nicht zu sehr in deinem Hirn die letzten paar kohärenten Sätze zusammenkratzen zu müssen.

Also doch TestAMENt. So sei es.